Woman in Cabin 10

Schon das Vorwort hat es in sich: Der Traum von einer im Meer treibenden Toten. Ihre Augen weiß und leer, die langen Haare schwimmen im Wasser. Dann das Aufwachen – Geräusche – irgendetwas stimmt nicht. Im Bad läuft die Dusche und am Spiegel steht „HALT DICH RAUS“.

Rasant geht es in Ruth Wares Thriller „Woman in Cabin 10“ weiter. Die Ich-Erzählerin, die Londoner Journalistin Lo Blackwood, schreckt nachts aus dem Schlaf und steht in ihrer Wohnung einem maskierten Einbrecher gegenüber. Sie wird verletzt, aber schlimmer ist, dass sie, die bereits seit Jahren unter Panikattacken leidet und Psychopharmaka nimmt, durch das Geschehene völlig aus dem Gleichgewicht kommt.

Doch es bleibt keine Zeit. Trotz ihres angegriffenen Zustands muss Lo eine einmalige Karrierechance ergreifen. Die junge Frau darf ihre Chefin auf der Jungfernfahrt einer edlen Luxusjacht als Pressevertreterin mit wenigen, handverlesenen Gästen vertreten. Zufällig lernt sie am ersten Abend an Bord in der Nachbarkabine eine junge Frau – die „Woman in Cabin 10“ – kennen. Als sie in der kommenden Nacht von Geräuschen geweckt wird, sieht sie, wie jemand von der Veranda des angrenzenden Zimmers eine Person ins Wasser stößt, eine junge Frau, die im kalten Wasser versinkt, ihr Blut klebt auf der Terrasse. Ein schrecklicher Mord ist geschehen. Doch niemand auf dem Schiff glaubt Lo. Nicht nur, weil sie unter Medikamenten steht und am Abend sehr viel getrunken hatte, sondern weil die Suite neben ihr nicht belegt ist. Nummer 10 ist komplett leer, alle Sachen sind weg und niemand hat eine Person gesehen, auf die die Beschreibung passt. Hat Lo ein Verbrechen gesehen oder ist sie verrückt geworden? Zweifel kommen auf und merkwürdige Dinge passieren an Bord, die sie aber genauso wenig beweisen kann, wie die Warnungen, die sie erhält. Ist es Mord oder Einbildung?

Dieses Buch ist Spannung pur. Die Geschichte ist absolut glaubwürdig und gut aufgebaut. Während manche Krimis und Thriller Längen haben oder unrealistische Auflösungen, ist „Woman in Cabin 10“ ein dichtes Buch, an dem man nicht nur dranbleibt, weil man unbedingt wissen will, wie sich das Geschehen weiterentwickelt, sondern, weil es bis zur letzten Seite dramatisch bleibt, denn selbst dann ergibt sich nochmal eine neue Wendung. Geschickt setzt die Autorin dabei zwischen den Kapiteln Elemente im Stil neuer Medien ein: ein eingestreuter Mailverkehr, Spekulationen in Online-Foren sowie Zeitungsausschnitte mit dem aktuellen Stand der Ermittlungen sorgen für zusätzliche Spannung, denn der Leser weiß so nun schon Dinge, die die Ich-Erzählerin Lo noch nicht weiß. Bereits mit ihrem ersten Thriller „Im dunklen, dunklen Wald“ wurde die englische Schriftstellerin Ruth Ware zur Bestsellerautorin für psychologische Krimis. „Woman in Cabin 10“ ist ein würdiger Nachfolger. Inzwischen ist auch „Wie tief ist deine Schuld“ als E-Book erschienen.    

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