6 Uhr 41

Was wäre wenn? Diese Frage hat sich wohl schon jeder gestellt, der etwas älter ist und Entscheidungen in seinem Leben getroffen hat. Was wäre wenn – ich den anderen Job genommen hätte, beim alten Partner geblieben wäre, dieses oder jenes nicht getan oder gesagt hätte…?

Die Frage steht plötzlich auch um 6 Uhr 41 im Raum – oder besser gesagt im Zug, der um diese Uhrzeit von einem Vorort nach Paris fährt. Hier treffen sich völlig unerwartet Cécile Duffaut und Philippe Leduc wieder. Beide waren vor rund 25 Jahren für vier Monate ein Paar, bis der Junge das Mädchen auf sehr hässliche Weise verlassen hat. Sie erkennen sich sofort, tun aber, als hätten sie sich noch nie gesehen. Und während sie versuchen, einander zu ignorieren, erlebt jeder in den eineinhalb Stunden der Fahrt das Geschehene in seinen Gedanken erneut. Cécile, das unscheinbare Mädchen, das sich zu einer schönen Frau und erfolgreichen Unternehmerin entwickelt hat, erinnert sich an die Schmach und Kränkung von damals. Und Philippe, der einst hoffnungsvolle und begehrte Junge, der im Privat- und Berufsleben komplett gescheitert und eher bemitleidenswert ist, möchte sie ansprechen und sich entschuldigen. Doch beide schweigen.

Der französische Autor Jean-Philippe Blondel, der durch Bücher wie „Ein Winter in Paris“ oder „This is not a love song“ bekannt ist, inszeniert diesen Roman fast wie ein Kammerspiel. Fein pointiert lässt er ausschließlich die beiden Protagonisten zu Wort kommen, lässt sie ihr Leben in allen Bereichen und Zeitabschnitten noch einmal überdenken – inklusive der Frage: „Was wäre wenn?“. Mit dieser Intimität eignet sich der Text gut für eine Umsetzung als Hörbuch und ist ideal für einen Mann und eine Frau als Sprecher. Dass dafür das Duo Andrea Sawatzki und Christian Berkel gewonnen werden konnte, beide erfolgreiche Schauspieler, Hörbuchsprecher und auch privat ein Paar, macht den Hörgenuss perfekt. Mit der sanften, warmen Stimme von Christian Berkel und der leicht gereizten, manchmal fast schnippischen Tonlage von Andrea Sawatzki, die gleichzeitig auch das kleine, unsichere Mädchen zum Vorschein kommen lassen kann, erlebt man die aufkommenden Emotionen von Cécile und Philippe detailliert mit. Bis zum Schluss bleibt die Spannung, wie es ausgeht: Werden sie miteinander sprechen oder wortlos auseinandergehen? Eine unterhaltsame Geschichte, besonders für Hörer ab 40, die sich bei den Themen verflossene Liebe, Ehestress, pubertierende Kinder oder alternde Eltern herrlich amüsieren oder gar wiedererkennen können.    

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