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Eine wahrhaft unglamouröse Kombi: der Berliner Stadtteil Marzahn und das Thema Fußpflege. Und doch gelingt es Katja Oskamp aus beidem zusammen ein Buch zu kreieren, das etwas ganz Besonderes ist, das emotional und liebevoll einen Blick auf das Leben ganz normaler Menschen wirft, Licht und Schatten durchschnittlicher Lebensläufe widerspiegelt und dabei auch noch eine autobiografische Auseinandersetzung mit sich selbst enthält.
Denn die erzählende Hauptakteurin ist die Autorin selbst – die 1970 in Leipzig geborene Dramaturgin und Schriftstellerin Katja Oskamp. Sie berichtet darüber, wie sie mit 45 Jahren die Midlife Crisis mit voller Wucht trifft: Das Kind ist aus dem Haus, der Mann schwer krank, man hat sich entfremdet und auch der eigene Beruf ist ins Wanken geraten. Kein Verlag will ihre Texte drucken. Die Verzweiflung ist groß, als ihr ihre Kosmetikerin vorschlägt, in deren Praxis als Fußpflegerin anzufangen. Auf den ersten Blick ungewöhnlich, doch die Autorin erkennt einen Weg darin. Sie macht eine Ausbildung und beginnt im Kosmetikstudio in Berlin Marzahn zu arbeiten.
Aber Katja Oskamp wäre nicht Schriftstellerin, wenn ihr Interesse an Mitmenschen nicht groß und der Blick nicht geschult wäre. Und so sieht sie ihrer Kundschaft nicht nur auf die Füße, sondern auch in die Seele und erfährt in den Unterhaltungen während der Behandlung viel über deren Leben und so manches Zwischenmenschliche.
Vieles, was sie hört, verarbeitet die Autorin in diesem neuen Buch – „Marzahn Mon Amour. Geschichten einer Fußpflegerin“ – das zum Überraschungserfolg und Liebling des Feuilletons wird. Das liegt einerseits daran, dass sie nicht nur gut beobachtet hat, sondern dass sie ihrer Kundschaft mit einer Achtung begegnet, die heute selten geworden ist. Katja Oskamp schaut im wahrsten Sinne von unten nach oben: nicht nur von der Fußpflegerin auf dem Schemel zum Kunden auf dem Behandlungsstuhl, sondern offen und menschlich zum jeweiligen Individuum. In einer Gesellschaft wie der unseren, in der das Oberflächliche zunehmend einen enormen Stellenwert einnimmt, ist dieser Blick besonders wertvoll. Denn hier, am Stadtrand von Berlin, jenseits der hippen Hauptstadtwelt, trifft man auf Persönlichkeiten, die in ihrem ganz normalen Leben wirkliche Geschichten zu erzählen und echte Leistungen erbracht haben, ob auf der Flucht im Zweiten Weltkrieg, beim Widerstand gegen das DDR-Regime oder beim alltäglichen Bewältigen der Widrigkeiten des Lebens. Man leidet mit den Menschen, freut sich mit ihnen oder findet sie einfach nur furchtbar. So wie Katja Oskamp ihre Kunden und Kundinnen ins Herz schließt – oder eben auch nicht – ergeht es auch dem Leser: Man teilt die Fassungslosigkeit über die Frau, die ihre 96-jährige Mutter drangsaliert oder freut sich mit der Witwe, die ins Leben zurückfindet. Gescheiterte Existenzen, verarmte Rentner, demente Ehegatten – all das gehört zum Leben, in dessen großes Universum uns die Autorin mit ihren knappen Sätzen, die doch so viel ausdrücken, mitnimmt. Am Ende des kleinen Buches bleibt nicht nur Demut zurück gegenüber Menschen, die ihren täglichen Kampf meistern, sondern auch ein Nachdenken über die Biographien der Mitmenschen.
10. Februar 2020
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