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Die Frage nach der eigenen Herkunft beschäftigt irgendwann einmal jeden Menschen. Wer waren meine Vorfahren? Wie haben sie gelebt? Was weiß man heute noch über sie? Doch nicht jeder erhält eine befriedigende Antwort. Denn während manche auf einen lückenlosen Stammbaum nebst ausführlicher Familienchronik zurückgreifen können, wissen andere eigentlich fast gar nichts über die Verwandten.
So erging es auch dem 1970 in Ost-Berlin geborenen Journalisten und Autoren Maxim Leo. Er hatte zwar gehört, dass es eine große Familie gibt, die über viele Länder der Welt verstreut lebt, aber erst nach der Wende, als die junge Generation von überall her zu einem Fest in Deutschland zusammenkam, fragte er sich, wieso das so ist. Was war in der Vergangenheit passiert? Maxim Leo begann zu recherchieren und stieß auf eine faszinierende Familiengeschichte, die immer spannender wurde, je mehr er sich damit beschäftigte. Ein Jahr lang reiste er durch die Welt, befragte Angehörige und rekonstruierte die Geschehnisse, um am Ende aus all dem Material ein Buch zu schreiben: „Wo wir zu Hause sind. Die Geschichte meiner verschwundenen Familie“.
In den
Mittelpunkt seines Buches rückt der Autor das Leben dreier seiner Vorfahrinnen
– der Großtante Ilse und ihrer Cousinen, den Schwestern Hilde und Irmgard. Ihre
drei Schicksale und das ihrer Nachfahren zeichnet er auf, bis in die heutige
Zeit. Er schildert das Aufwachsen im Deutschland nach dem ersten Weltkrieg, das
Erwachsenwerden und den großen Bruch durch die Machtergreifung der
Nationalsozialisten. Da die Familie jüdisch ist, spüren sie die zunehmenden
Repressalien. Rechtzeitig gelingt ihnen die Flucht. Doch sie werden in alle
Winde verstreut: Ilse verschlägt es über Österreich nach Frankreich, Hilde
wandert über Frankreich nach Großbritannien aus und Irmgard schließlich beginnt
ein komplett neues Leben in Israel. Maxim Leo beschreibt immer abwechselnd und in
Etappen die jeweilige Biographie, die individuell ist, aber gleichzeitig doch immer
auch an das Schicksal von Millionen anderen jüdischen Familien erinnert. Das
Besondere in diesem Buch ist neben der interessanten persönlichen Einschätzung sicher
auch die ausführliche Recherche, die der Autor dokumentarisch in seinen Text
einfließen lässt. So reiste er zu noch lebenden Zeitzeugen, sichtete erhaltene
Briefe und Unterlagen und ergänzt sie durch Fundstücke aus Archiven. Am Ende
hat der Leser die Geschichte der gesamten Familie begleitet, hat ihre
Entwicklung bis ins Heute miterlebt und dabei viel über Zeitgeschichte und ihre
Auswirkungen auf den einzelnen Menschen erfahren, wobei besonders schön ist,
dass sich der Familienkreis im heutigen Deutschland nun wieder schließt.
23. April 2019